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Gedanken zum "Spade Bit": Philosophie, Kunst und Handhabung - Teil 1

von R.F. Prudente/G. Turnbull

 

Ich stand an der Ecke einer der hunderten von Ständen, die schachbrettartig auf einem großen Parkplatz verteilt waren. Ich war zusammen mit den Eltern meiner Freundin zum großen Los Angeles Flohmarkt gefahren. Während ich träge an einem Klapptisch mit billigen Schmuck lehnte warf ich einen flüchtigen Blick in eine alte Milchkiste. Das Sonnenlicht fiel durch eine Spalte im Dach des Standes und schimmerte auf ihrem Inhalt. Die Kiste war voll davon, was ich heutzutage als Sortiment alter California Spade Bits kenne, falsch gebraucht und missverstanden, wie Müll beiseite geworfen. Es war das Jahr 1969; ich war sieben Jahre alt.

Ich hatte gerade mit der Reise meines Lebens begonnen, ritt Pferde und studierte sie. Ich erinnere mich an meine Eindrücke, die ich damals von Bits hatte. Ihr Silber und Design verzauberten mich, sogar in dem Alter, aber die Mundstücke, scharfe alte Spades, machten mir Angst. Aufgrund meiner begrenzten Kenntnisse fand ich, dass sie einschüchternd und scharf aussahen.

Es sollte viele Jahre dauern bevor ich "Das Spade" wiedertreffen würde: ich erfuhr irgendwann, dass der Inhalt dieser Milchkiste seinerzeit genug wert gewesen wäre um davon später mein Haus zu kaufen.

Genau wie ich damals neu in der Pferdeszene war entdecken viele andere Menschen verschiedener Altersgruppen diese jetzt auch für sich. Ihre Reaktion auf das Spade Bit ist meiner ersten Reaktion ziemlich ähnlich.

Das Spade ist ein Bit, das kein Anfänger benutzen sollte, bezogen sowohl auf den Menschen als auch auf das Pferd. Zu diesem Bit gehört keine Bedienungsanleitung, nur die Überlieferung von einer Generation zur nächsten, das subtile mündliche Erwähnen dessen, was es ist und wie man es am besten benutzt. Es gibt keine Bücher, die die feine Benutzung des Spade Bits wirklich erklären. Ich denke, vielleicht kann es gar nicht in Worte gefasst werden. Es ist eine illusorische Welt von "Gefühl" und Sensibilität.

Wenn einer der alten Vaqueros heute noch leben würde wäre seine Antworten auf Fragen nach dem Spade Bit wahrscheinlich vage und bescheiden, kaum mehr als ein subtiles Nicken oder die kleinste Handbewegung. Manchmal frage ich mich ob die alten Vaqueros es absichtlich so entwarfen, einschüchternd genug um Anfänger davon fernzuhalten. Viele der Künste auf der ganzen Welt faszinieren uns, können aber nicht in einem Schritt-für-Schritt-Verfahren gelehrt werden.

Wer sich zum Spade Bit und seinem Nutzen hingezogen fühlt findet sich von einer einmaligen Welt umgeben. Da Informationen schwer zu bekommen sind wird der Student des Spade Bits immer tiefer in eine sehr große und komplizierte Kultur eintauchen. Viele Horsemen, die ihr Leben dem Studium und Verständnis dieses Themas gewidmet haben, sind schwer zu finden und noch schwerer kennenzulernen. Ihre Welt ist nicht von der Uhr bestimmt. Sie nehmen sich die Zeit, die es braucht, um ihre Pferde nach deren Zeitgefühl zu "machen". Jeder Trainingsschritt, der je nach Reaktion des Pferdes festgelegt wird, und die Beherrschung jeder dieser Schritte führt zum wahren Bridle Horse (Anm. d. Übers.: Das fertige Spade Bit Pferd), das sich vom Rest abhebt. Der Weg ist lang, birgt aber für den Studenten des Spade Bits große Reichtümer.

 

Hebelwirkung? Nein, danke.

Um das Spade zu verstehen muß man zunächst verstehen was es nicht ist. Die meisten der anderen Shank Bits sind das, was man als Bits mit "Hebelwirkung" kennt. Das Standart Curb, das Grazer Bit aus Texas, das Buster Welch und die neuen beweglichen "gebrochenen Ports" (Anm. d. Übers.: z.B. Correction Bits) sind nur einige Beispiele von Bits mit niedrigem Aufbau (Low Port-Bits) und Hebelwirkung der modernen Zeit.

Ein Bit mit Hebelwirkung wirkt überwiegend über den Druck auf den Kinnriemen (Curb Strap). Dies wird durch die Tatsache unterstützt, dass diese Bits üblicherweise einen niedrigen Aufbau haben und oft mit einer Kinnkette kombiniert werden, um bei Bedarf die Intensität des Drucks zu erhöhen. Da es das Ziehen oder in manchen Fällen auch das Reißen an den Zügeln ist, das sofort den Druck des Kinnriemens oder der Kinnkette zum Einsatz bringt, ist ein wie auch immer gearteter Aufbau am Bit eher unwichtig.

Das Pferd, das mit einem Bit mit Hebelwirkung trainiert und geritten wird, lernt nicht, das Bit zu tragen oder irgendwie sensibel gegenüber der Form oder Struktur des Bits zu sein. Es reagiert meist einfach nur auf den Druck des Kinnriemens. Das Ziel des Reiters, der ein Hebel-Bit benutzt, ist es, den Kinnriemen und den von ihm ausgehenden Druck schnellstmöglich zum Einsatz zu bringen um die erwarteten Resultate zu erhalten, was bedeutet entweder zu stoppen oder zumindest langsamer zu werden.

Die große Mehrheit der Pferdebesitzer benutzen Hebel-Bits. Hebel-Bits sind einfach zu verstehen; ziehen bis zum Anhalten, und wenn das nicht funktioniert, stärker ziehen. Für Pferdebesitzer, die einfach nur herum planschen wollen, für solche, die nicht wirklich völlig in die unergründlichen Tiefen der Horsemanship eintauchen wollen, sind die Hebel-Bits wahrscheinlich die beste Lösung. Ihre Handhabung erfordert mehr Anstrengung und Energie aber weniger Vorbereitung, Sensibilität und Kenntnisse.

 

Die Plattform

Um das Spade Bit und seine mühelose Art der Handhabung zu verstehen muß ein Horseman zunächst verstehen wie der Vaquero der alten Tage und nun der Buckaroo von heute sein Pferd nutzt.

Unterschiedliche Wettbewerbe in der heutigen Reiterei erfordern verschiedene Training Levels. Bei der überwiegenden Mehrheit dieser Wettbewerbe muss sich der Reiter nur auf das Reiten seines Pferdes konzentrieren. Die Reiter sitzen vorzugsweise in der Mitte ihrer Pferde und fokussieren ihre Aufmerksamkeit auf ihr Pferd und auf seine Art der Fortbewegung. Was normalerweise die Schwierigkeit einer Veranstaltung erhöht ist die Einbeziehung anderer Dinge, die ein Reiter bewältigen oder bedenken muss während er sein Pferd reitet. Hindernisse überspringen, ein Kuh arbeiten oder sie die lange Seite der Arena entlang treiben sind einige Beispiele. Der Buckaroo hat noch mit einem anderem Element zu kämpfen; seinem Rope.

Ein Buckaroo muss einen hochklassigen Ritt zeigen und gleichzeitig in der Lage sein, sein Pferd als Plattform zum Werfen des Ropes zu nutzen. Polospieler können dies bestens nachvollziehen. Je größer die Fähigkeiten des Pferdes sind, schnell zu manövrieren und sich in Position zu bringen, desto größer sind auch die Chancen des Reiters, einen wirklich tollen Wurf zu platzieren. Ein Horseman, der alle notwendige Justierung mit sehr wenig Handbewegung vornehmen konnte war in der Tat ein begabter Horseman. Kleine Handbewegungen erlauben dem Horseman, die Wicklungen seines Ropes in Ordnung zu halten, weich zu schwingen und den Wurf akkurat zu platzieren. Kleine Handbewegungen können ein Pferd nicht reagieren lassen. Es muss lernen zuzuhören und kleinsten Signalen nachzufühlen.

 

Das Signal

Das Spade kennt man als "Signal" Bit. Der lange, nach oben schmaler werdende Aufbau, komplettiert durch den Löffel (Spoon/Spade), die eingebaute Metallrolle (Cricket) und die seitlichen kupferumwickelten Metallbögen (Braces) ist so gestaltet, dass das Pferd ermutigt wird, das Bit "aufzunehmen" und im Maul zu "tragen".

Komischerweise wird an Pferden, die im Spade trainiert werden, nicht herumgezerrt. Ihre Mäuler werden respektiert und geschützt; um jeden Preis gerettet. Die Sensibilität des Spade Bit Pferdes ist erstklassig. Diese Sensibilität würde nicht bestehen bleiben wenn der Prozeß der Spade Bit Ausbildung hart wäre. Die wahren großartigen "samtmäuligen" Spade Bit Pferde haben von einer langen schwierigen Serie von Trainingsschritten profitiert, die sie auf das Tragen des Spade Bits vorbereitet haben.

Die alten Vaqueros starteten ihre Pferde in der Hackamore; es folgte dann der Übergang in den Two Rein Prozess , wobei eine kleine Hackamore, bekannt als Bosal, benutzt wurde, das unter das Bridle (Kopfstück mit Bit) passte und zusammen mit Bit benutzt wurde; zuletzt folgte die Ausbildung im Bridle. Moderne Horsemen haben das Snaffle Bit für den Trainingsbeginn junger Pferde dazu genommen und setzten die Ausbildung dann traditionell weiter fort.

Die Pferde werden biegsam und weich gemacht und in allen Manövern trainiert, die später auch im Spade Bit abgefragt werden. Wenn ein Pferd dann das Spade Bit trägt liegt der einzige Sinn dieses Bits darin, die feinen Signale der Reiterhand zu empfangen. Beachten Sie den weichen dünnen Kinnriemen, der an einem Spade benutzt wird. Er hat wenig oder keine Funktion. Nachrichten werden delikat die Zügel hinunter zu den Shanks gesendet, deren leichteste Bewegung gleichzeitig den hohen komplizierten Port bewegt. Das Pferd fühlt und antwortet auf eine Nachricht, nicht auf Druck. Während die Hände vieler Hebel-Bit Benutzer ihre Anweisungen quasi schreien, schlagen die Hände der Spade Bit Horsemen ihre Nachrichten dem Pferd die Anfragen weich und freundlich vor.

 

weiter zu Teil 2

 

 

 

 

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Carlo´s Trainings Stable

inspiriert durch Jean-Claude Dysli

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Spade Bit - Teil 1

Spade Bit - Teil 2